Leseprobe
Exposé Seite 7
(…) „Ich hätte noch eine Frage an Sie“, sagte ich. „Wieso sehe ich die Lichter nicht wenn ich allein bin? Wenn ich doch Angst vorm Alleinsein habe, dann sollte ich die Lichter doch besonders dann sehen wenn ich allein bin. Aber gerade wenn ich allein bin habe ich meine Ruhe vor diesen verdammten Lichtern. Darum bin ich in letzter Zeit nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus meinem Zimmer gegangen. Das ergibt doch irgendwie alles keinen Sinn.“
Dr. Howard lächelte wieder. Eigentlich ging mir dieses Lächeln bisher auf die Nerven weil es für mich immer schien als wolle er mir ein `armer Irrer` zulächeln. Jetzt aber war mir klar, dass er mir eigentlich immer nur ein `nur Mut` zulächeln wollte.
„Malwin, das alles wollen wir ja in der nächsten Zeit herausfinden. Die Psyche ist nicht so leicht zu durchschauen wie Sie vielleicht hoffen. Aber da Sie sich endlich dazu entschlossen haben mitzuhelfen, möchte ich Ihnen einen Rat geben. Schließen Sie sich nicht ein. Versuchen Sie diesen Erscheinungen nicht aus dem Weg zu gehen sondern stellen Sie sich ihnen. Stellen Sie sich Ihren Ängsten und beobachten Sie genau was passieren wird. Ich werde das Personal verständigen dass es in Ordnung ist wenn Sie im Dunkeln in der Klinik herumlaufen. Ihre Symptome verlangen nun mal diese Maßnahmen. Nehmen Sie diese Erscheinungen an, versuchen Sie, sie als Freunde anzusehen. Fürchten Sie sich nicht vor dem was Sie sehen.“
Ich starrte ihn an. Sein letzter Satz erinnerte mich plötzlich an etwas was die Frau zu mir gesagt hatte:
`Glauben Sie ruhig was Sie sehen!` (…)
(…) Schwestern kamen mir entgegen, Ärzte, Pfleger, alle nickten freundlich aber sonst geschah nichts. Ich wandte mich dem Treppenhaus zu. Eine nette, rundliche Frau wischte die Treppe und sang dabei.
„Guten Abend junger Mann. Na, noch ein kleiner Abendspaziergang bevor es ins Bett geht?“
Sie strahlte mich an. Ich grinste zurück. Einen Menschen der so viel Freundlichkeit ausstrahlte hatte ich selten getroffen. Aber ihre Herzlichkeit tat mir irgendwie gut.
Exposé Seite 8
„ Na ja, vielleicht bringt das die nötige Bettschwere“, antwortete ich.
„Denn mal schönen Abend noch“, strahlte sie wieder.
Ich ging die Treppe hinunter und umschiffte dabei den Besen der mitten auf der Treppe lag.
`Nicht ungefährlich`, dachte ich noch als plötzlich das Licht ausging.
„ Verdammte Zeitschaltuhr“, hörte ich die Putzfrau knurren. Dann hörte ich ihre Schritte auf der Treppe. Mir fiel der Besen ein den sie mitten auf einer der Stufen platziert hatte. Ich schoss herum und wollte sie warnen. Doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Eine Gestalt, die von innen zu leuchten schien, stand auf der Treppe. Im Schein dieser Figur sah ich die Putzfrau auf den Besen zusteuern. Doch bevor sie darüber fiel schob die leuchtende Gestalt den Besen zur Seite und die Putzfrau ertastete den Lichtschalter. Das Licht flammte auf und die Gestalt war verschwunden. Die Frau sah mir ins Gesicht.
„Alles in Ordnung, es ist ja wieder hell. Und hier im Treppenhaus leben keine Gespenster, Jungchen“, gickerte sie.
„Vorsicht, der Besen“, antwortete ich tonlos. Dann drehte ich mich um und lief die Treppe hinunter. Da waren sie wieder, die Visionen. (…)
(…) Knapp eine Woche nachdem ich die Vision im Treppenhaus hatte lief ich den Gang auf meiner Station entlang. Die Dämmerung hatte eingesetzt, es war fast ganz dunkel. Och vom Fenster her kam Licht. Ich wollte zuerst vorbeigehen, so tun als ob ich es nicht bemerkt hätte. Aber ich wusste dass ich mich damit auseinandersetzen musste. Also sah ich aus dem Fenster. Draußen lief eine Gruppe Kinder über den Hof auf dem Nachbargrundstück. Um sie herum tanzten Lichter, hin und wieder bildete sich aus dem Licht eine Gestalt. Mir fiel auf, dass meistens dann wenn eines der Kinder lachte das Licht Gestalt annahm. Ich starrte aus dem Fenster.
„Das sind die Kinder aus dem Erholungsheim. Dort sind Kinder untergebracht die krank waren und noch spezielle Fürsorge brauchen. Heute wurden sie in den Zirkus eingeladen.“
Exposé Seite 9
Ich hatte nicht bemerkt dass Dr. Howard neben mich getreten war. Ich antwortete nicht und starrte weiter aus dem Fenster. Das da draußen war keine Einbildung. Die Lichter tanzten um die fröhlichen Kinder herum.
„Sehen Sie wieder etwas?“
Ich sah wie eines der Kinder auf eine kleine Mauer kletterte und darauf balancierte, wie eine Seiltänzerin im Zirkus. Ich sah wie das Kind stolperte und von der Mauer fiel. Und ich sah wie sich aus einem der Lichter blitzschnell eine Figur bildete und sich unter das Kind warf. Das Kind fiel durch die Figur hindurch und es schien, als federte es leicht vom Boden ab. Dann stand es auf und lief zu seinen Freunden.
„Ts, Kinder scheinen immer einen Schutzengel zu haben“, sagte Dr. Howard.
„Nun Malwin, was haben Sie gesehen?“
Ich starrte noch immer nach draußen. Dann sah ich ihn an.
„Nichts“, sagte ich. „Überhaupt nichts.“ (…)
(…) Am Abend beschloss ich noch einmal eine meiner Runden zu drehen und dabei Mr. Lewis eine gute Nacht zu wünschen. Wie ich es gewohnt war schaltete ich das Licht nicht an. Ich klopfte und öffnete leise die Tür zu Mr. Lewis Zimmer.
Mir stockte der Atem. Mr. Lewis lag in seinem Bett, über ihn gebeugt eine leuchtende Gestalt. Ich stand wie angewurzelt in der Tür. Die Gestalt drehte den Kopf zu mir und mein Entsetzen wurde noch größer. Es war die Frau die ich bei dem Unfall angefahren hatte. Sie sah mich an und lächelte. Dann legte sie den Finger an die Lippen um mir zu bedeuten still zu sein. Ich hörte, wie Mr. Lewis einmal leise schnaufte. Dann sah ich, wie ein Licht aus seinem Mund strömte. Die Frau fing das Licht in ihren Händen auf. Dann lächelte sie mir noch einmal zu und war plötzlich verschwunden. Ich lief zu Mr. Lewis. Er lag ganz friedlich da. Ich schüttelte seinen Arm.
„ Mr. Lewis, hören Sie mich?“
Dann fühlte ich nach seinem Puls. Er war tot. (…)